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Geothermie

Unsere Erde birgt in ihrem Inneren neben vielerlei Bodenschätzen vor allem Wärme. Wir kennen aus täglicher Erfahrung das frostfreie Verlegen von Leitungen in ein bis zwei Metern Tiefe, das Schwitzen von Bergleuten bei 40°C in 1000 m Tiefe, das Wellness-Angebot 70°C heißer Thermalsole aus 2000 m tiefen Bohrungen und schließlich fasziniert uns die 1400° heiße Lava, die aus mehreren 10 km tiefen Magmakammern die Vulkane "belebt". Der Erdkern, so schätzen Geowissenschaftler, ist sogar ca. 5000° heiß. Diese Wärmemenge resultiert zum einen noch aus der Erdentstehung (gravitative Kompression) vor Milliarden Jahren, zum anderen heizen radioaktive Zerfallsprozesse im Erdmantel immer weiter nach. So steigt ein ständiger Wärmestrom aus der Tiefe zur Erdoberfläche auf, der an besonderen Stellen durch Magmenbewegungen sogar deutlich spürbar und sichtbar die Oberfläche erreicht (z. B. Island, Hawai, Neuseeland ...).

Erste Messungen der Erdwärme brachte vor 200 Jahren Alexander von Humboldt von seiner Forschungsreise durch Südamerika mit, wo er mittels eines Reisethermometers bei der Messung von Temperaturen in Höhlen deren Ansteigen mit zunehmender Tiefe feststellte.
Präzise Temperaturmessungen an der seinerzeit mit 1.200 m tiefsten Bohrung der Welt im brandenburgischen Salzstock Sperenberg führten 1867 - 1871 zur Bestimmung der Geothermischen Tiefenstufe von 32,5 m / K (oder 3,1 K / 100m).

Direkte Messungen und Berechnungen ermittelten später je nach geologischen Bedingungen eine Wärmestromdichte zwischen 0,025W/m² und 0,125W/m² (im Mittel um 0,06 W / m²).

Einige Fakten:
  • Globaler geothermischer Wärmestrom: Fast 1021 Ws / Jahr
    zum Vergleich:
    • solare Einstrahlung: ca. 5,4 x 1024 Ws / Jahr
    • Weltenergieverbrauch (1995) ca. 3,3 x 1020 Ws
  • Geothermische Tiefenstufe (Sperenberg 1867 - 1871) 32,5 m / K
  • Geothermischer Gradient 0,031 K / m
  • Geothermische Stromdichte
    • gering:  2,5 - 4 x10-2 J / m² s ~ 0,025 W / m²
    • normal:  4 - 6 x10-2 J / m² s ~ 0,05 W / m²
    • Hoch:  6 - 12,5 x10-2 J / m² s ~ 0,1 W / m²
    • Sehr Hoch: > 12,5 x10-2 J / m² s > 0,125 W / m²

Nimmt man so z.B. die Fläche Brandenburgs von ca. 30 000 km² und eine durchschnittliche Stromdichte von 0,065 W / m², ergibt die Oberfläche des Landes eine "Heizplatte" mit fast 2000 Megawatt Leistung. Findige Köpfe kamen daher recht schnell darauf, diese Wärmequelle anzuzapfen.
In der Literatur wurde schon von Bernhard Cotta die Nutzung der Erdwärme vorgeschlagen:  

„Diese hohe Temperatur, welche schon jetzt von unermeßlicher Wichtigkeit für den Menschen und die Zustände seiner Existenz ist, könnte möglicher Weise in später Zukunft noch eine neue wichtige Rolle unter den Hülfsmitteln des menschlichen Lebens spielen. Sollten einst auf der mehr und mehr bevölkerten Erde die Wälder überall stark gelichtet und die Kohlenlager erschöpft sein, so ist es wohl denkbar, daß man die Innenwärme der Erde sich dienstbar macht, daß man sie durch besondere Vorrichtungen in Schächten oder Bohrlöchern zur Oberfläche leitet und zur Erwärmung der Wohnungen oder selbst zur Heizung von Maschinen verwendet. Man wird freilich nicht früher allgemein und mit Vortheil zu dieser, in ihrer Anwendung wahrscheinlich kostspieligen Wärmequelle greifen, bis ein empfindlicher Mangel an Brennmaterial dazu nöthigt; dann aber bleibt die Wärme der Mutter Erde eine sichere letzte Zuflucht."

Bernhard Cotta, 1853

Genau diese Vision manifestiert sich heute in einem aufstrebenden Zweig der modernen Energiegewinnung. Technische Voraussetzung hierfür war die entwicklung leistungsfähiger wie kompakter Wärmepumpen und Energieaustauschsysteme.

Die geothermischen Systeme und Gewinnungstechnologien können in folgende Arten untergliedert werden:

  • Tiefe Geothermie,
  • Oberflächennahe Geothermie,
  • Hydrothermale Geothermie, Sonderfälle, z. T. tiefe Erdwärmesonden,
  • Hot Dry Rock (HDR) - Technologie.

Die tiefe Geothermie umfasst Systeme, bei denen die geothermische Energie über Tiefbohrungen erschlossen wird und direkt (d.h. ohne Temperaturerhöhung mittels Wärmepumpen) genutzt werden kann. Nach dieser Definition gehören zur tiefen Geothermie insbesondere folgende Systeme:

Hydrothermale Systeme mitniedriger Enthalpie (Wärmeinhalt):
  • Überwiegend Nutzung des im Untergrund vorhandenen Wassers; sie erfolgt meist direkt (ggf. über Wärmetauscher), zur Speisung von Nah- und Fernwärmenetzen, zur landwirtschaftlichen oder industriellen Nutzung oder für balneologische Zwecke; ab ca. 100 °C ist eine Verstromung möglich. Beispiele sind:

    Aquifere (Grundwasserleiter) mit heißem(> 100 °C), warmem (60-100 °C) oder thermalem (> 20 °C) Wasser.
Petrothermale Systeme:

Sie beinhaltet überwiegend die Nutzung der im Gestein gespeicherten Energie. Beispiele für diese Nutzungssysteme sind:

  • Hot-Dry-Rock-Systeme (HDR), auch Deep Heat Mining (DHM), Hot Wet Rock (HWR), Hot Fractured Rock (HFR) oder Stimulated Geothermal System (SGS) genannt. Der umfassende Begriff ist Enhanced Geothermal Systems (EGS). Es handelt sich hierbei um eine Energiegewinnung aus dem Gestein selbst; sie ist also weitgehend unabhängig von wasserführenden Strukturen. Das heiße Gestein (meist Grundgebirge) wird als Wärmetauscher genutzt. HDR-Systeme werden primär zur Stromerzeugung eingesetzt.
  • Tiefe Erdwärmesonden: Energienutzung aus einer beliebigen Gesteinsabfolge mit geschlossenem Kreislauf des Wärmeträgermediums in der Sonde; nur zur Wärmeversorgung. 


Die Nutzung tiefengeothermischer Energie in Brandenburg ist bereits heute vielfältig. Sie reichen von der Errichtung tiefer Erdwärmesonden über die Förderung von Thermalwässern (Thermalsole) hin bis hin zur Nutzung der geothermischen Energievorräte nach der Hot-Dry-Rock-Technologie. Letztere befindet sich aber noch im Erprobungsstadium.

Bei der hydrothermalen Nutzung wird Wasser aus tiefen wasserführenden Gesteinsschichten (Aquifere) gefördert; über einen Wärmetauscher wird diesem die Wärme entzogen. Das so abgekühlte Wasser wird meist in denselben Aquifer in einer bestimmten Entfernung zur Erneuerung (Recharge) zurückgegeben (injiziert). Ein derartiges System besteht aus einer Förder- und einer Injektionsbohrung (Dublette). Grundsätzlich ist eine Kombination von mehreren Förder- und Injektionsbohrungen möglich.

Das klassische System einer Dublette besteht aus zwei Vertikalbohrungen in entsprechender Entfernung. Heute werden die Förder- und Injektionsbohrung meist von einem Bohrplatz aus abgeteuft, wobei der Nutzhorizont untertägig durch abgelenkte Bohrungen erschlossen wird. Die hydraulische Anbindung an den Aquifer ist dabei günstiger als bei Vertikalbohrungen. Die übertägige Anlage ist Platz sparend; alle technischen Einrichtungen können an einem Ort installiert werden. 

Die Technik der hydrothermalen Nutzung mittels Dubletten ist weitgehend ausgereift. Besonders in Frankreich, aber auch in Italien, Polen, Österreich oder Deutschland (z.B. Neustadt-Glewe, Waren) existieren bereits seit einigen Jahren, teilweise seit Jahrzehntenhydrothermale Anlagen. Das geförderte und nach der Abkühlung wieder injizierte Wasser zirkuliert übertägig in einem geschlossenen Kreislauf, der oft unter Druck gehalten werden muss, um Ausfällungen von Mineralen aus dem hochmineralisierten Wasser zu verhindern. Das mit Hilfe einer Tauchpumpe an die Oberflächegeförderte Thermalwasser wird über einen Wärmetauscher geleitet, und die gewonnene Wärme in einen sekundären Kreislauf, beispielsweise in ein Fernwärmenetz, eingespeist.

Die nutzbare Energiemenge einer Tiefen Erdwärmesonde hängt in erster Linie von der Temperatur des Untergrundes ab, besonders lukrativ sind daher positive Temperaturanomalien. Ein weiterer wichtiger Parameter sind die thermischen Eigenschaften des Untergrundes, insbesondere die Wärmeleitfähigkeit. Die nutzbare Energiemenge hängt neben der Betriebsdauer zusätzlich von der Bauart der Sonde und der Steigleitung ab, somit auch von den thermischen Eigenschaften der Ausbaumaterialien der Sonde. Lange und großkalibrige Sonden besitzen eine größere Wärmeaustauschfläche (Kontakt Sonde - Gestein).

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Nutzung der Erdwärme im Land Brandenburg, Leitfaden 2009